“Andere von dergleichen Witzen sind bedeutender; z. B. die Argumentationen, die σωϱείτης und ϕαλαϰϱός, jene der Häufende, diese der Kahle genannt wird. Beide beziehen sich auf das schlechte Unendliche und das quantitative Fortgehen, das zu keinem qualitativen Gegensatze kommen kann und sich am Ende doch bei einem qualitativ absoluten Gegensatze befindet. Der Phalakros ist das umgekehrte Problem vom Sorites. Es wird gefragt: Macht ein Korn einen Haufen? Oder: Macht ein Haar weniger einen Kahlkopf? - Nein. - Noch eins? - Noch keinen. Diese Frage wird immer wiederholt, während immer ein Korn dazugelegt oder ein Haar ausgezogen wird. Wo nun endlich gesagt wird, daß es doch ein Haufen oder Kahlkopf sei, so hat also das zuletzt zugelegte Korn oder das zuletzt ausgerissene Haar den Haufen oder Kahlkopf ausgemacht, was zuerst geleugnet wurde. Aber wie kann wieder ein Korn einen Haufen bilden, der doch aus so vielen Körnern besteht? Der Satz ist: Ein Korn macht keinen Haufen. Der Widerspruch ist, daß Eins Setzen oder Nehmen ebenso ins Entgegengesetzte, das Viele, übergeht. Eins Wiederholen ist Setzen des Vielen; die Wiederholung macht, daß einige viele Körner zusammenkommen. Das Eins wird zu seinem Gegenteil, einem Haufen; das weggenommene Eins wird zur Kahlheit. Eins und ein Haufen sind sich entgegengesetzt, aber auch eins; oder das quantitative Fortgehen scheint nichts zu verändern, bloß zu vermehren und zu vermindern, ist aber zuletzt ins Gegenteil übergegangen. Eine unendlich kleine oder unendlich große Größe ist keine Größe mehr. Wir trennen Qualität und Quantität immer voneinander. Dies Viele ist ein quantitativer Unterschied; aber dieser gleichgültige Unterschied der Menge, Größe schlägt hier endlich um in den qualitativen Unterschied. Diese Bestimmung ist von der größten Wichtigkeit, was jedoch unserem Bewußtsein nicht unmittelbar vorliegt. Z. B. ein Groschen, ein Taler, sagt man, macht nichts aus; mit allem dem Nichts-Ausmachen wird der Beutel leer, macht was aus, - ein sehr qualitativer Unterschied. Das Wasser wird erwärmt, es wird immer wärmer; und bei 80° Reaumur schlägt es plötzlich um in Dampf. Dieser Unterschied, Gegensatz von Quantität und Qualität ist sehr wichtig; aber das Dialektische ihres Überganges ineinander ist das, was unser Verstand nicht anerkennt, - er bleibt dabei: das Qualitative ist nicht quantitativ, und das Quantitative ist nicht qualitativ. In jenen Beispielen, die wie Späße aussehen, liegt die gründliche Betrachtung der Denkbestimmungen, auf die es ankommt.
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